Ich freue mich sehr, dass mir heute Sara über ihre Geburtsreise erzählt. Ihre erste Schwangerschaft erlebte sie, wie viele andere Frauen, eher unbewusst. Die Vorbereitungen auf die Geburt bestanden aus Checklisten und der Kinderzimmereinrichtung. Während der Geburt erlebte sie dann Machtlosigkeit und Fremdbestimmung. Weil Sara dies im Nachhinein durchleuchtete konnte sie ihre zweite Schwangerschaft ganz anders und sehr bewusst erleben. Der krönende Abschluss war dann eine selbstbestimmte, absolut bewusste Geburt.

Sara´s Geschichte soll Mut machen und inspirieren. Schwangerschaft und Geburt verändern uns, wenn wir es zulassen und uns hingeben.

 

Gastbeitrag


Meine erste Schwangerschaft

Die Schwangerschaft unserer ersten Tochter erlebte ich – vordergründig – als unproblematisch. Ich arbeitete weiterhin 60 Stunden pro Woche in der Wirtschaftsprüfung, denn schwanger sein ist schließlich keine Krankheit. Ich war gerne schwanger und voller Vorfreude, auch, wenn es mich als vollkommen verplanter und verkopfter Mensch auch extrem herausforderte, dass ich weder wusste, was bei der Geburt, noch im Zusammenleben mit so einem kleinen Menschlein, auf mich zukommt. Natürlich bereitete ich mich – vordergründig – auch auf die Geburt vor: das Kinderzimmer war wunderschön eingerichtet, Checklisten mit notwendigen Besorgungen wurden abgearbeitet, Kreißsäle wurden besichtigt.

Ich hatte auch genaue Vorstellungen davon, wie die Geburt unseres ersten Kindes sein sollte: eine Wassergeburt sollte es sein. Möglichst ohne Schmerzmittel. Ich hatte – in meiner Wahrnehmung – eine komplikationsarme Schwangerschaft und die Geburt sollte ein krönender Abschluss dieser Reise sein.

Geburt mit Saugglocke und Kristeller-Handgriff

Auf einmal fand ich mich jedoch inmitten eines Teams aus Ärzten im Kreißsaal wieder, und unsere Tochter wurde vaginal-operativ mit Hilfe von Saugglocke und Kristeller-Handgriff geboren. „Sie haben sie aus mir herausgezogen“, sagte ich zu meinem Mann, und fragte mich noch Monate später, was eigentlich passiert war.

Verdrängte Ängste wurden zur Blockade unter der Geburt

Rückblickend war die Liste meiner Ängste lang. Was, wenn wir es nicht rechtzeitig ins Krankenhaus schaffen würden? Was, wenn das Krankenhaus überfüllt wäre und ich mein Kind zwischen zwei Vorhängen gebären müsste? Oder ich eingeleitet werden müsste? Was, wenn ich die Schmerzen nicht aushalte? Die „Chemie“ zwischen mir und der diensthabenden Hebamme nicht stimmt? Das Kind „stecken bleibt“? Geburtsverletzungen?

Erst im Nachhinein wurde mir klar, dass ich mich auf die Geburt unserer Tochter null vorbereitet hatte. Ich war viel im außen unterwegs, statt im innen. Ich wartete darauf, dass man mir sagte, was zu tun sei, anstatt selbst ins Gespräch mit meinem Körper zu gehen. Und vielleicht hätte ich doch auch einfach nach Schmerzmitteln fragen und diese nicht per se ausschließen sollen. Vielleicht hätte ich dann in der Pressphase nicht die Kraft verloren. So stand mein Stolz mir wahrscheinlich im Weg Ich dumme Pute!

Der größte Teil der Vorbereitung auf eine Geburt findet mental statt

Mir war bis zu diesem Zeitpunkt auch überhaupt nicht klar, dass der größte Teil der Vorbereitung auf eine Geburt mental stattfindet – genauso wie bei Sportlern, die sich auf einen Wettkampf vorbereiten. Frei nach dem Motto „was reinkommt, kommt auch wieder heraus“, was ich irgendwo mal gehört und einfach übernommen hatte, harrte ich der Dinge. Schlimmer noch: ich wartete auf die Anweisungen des Krankenhauspersonals, anstatt meiner eigenen Körperwahrnehmung zu vertrauen. Ich gab die Verantwortung für unsere Geburt und für uns beide, mich und mein Baby, an der Krankenhauspforte ab. Und verlor unter der Geburt auch zeitweise den Kontakt zu meinem Baby.

Von einer unbewussten zu einer bewussten Geburt

Meine zweite Schwangerschaft, ganz bewusst und bei mir

Als ich das Wunder einer Schwangerschaft ein zweites Mal erleben durfte, stand für mich fest, dass ich mich dieses Mal ganz bewusst auf die Geburt vorbereiten und sie erleben möchte, anstatt das Ganze passiv über mich ergehen zu lassen. Mir war wichtig, dass ich mich meinen Ängsten dieses Mal ganz bewusst stelle. Dazu gehörte für mich, meine Ängste zunächst einmal zu identifizieren und zu entdämonisieren. Nach dem Leitspruch „Angst, ich kenne dich, und ich halte dich aus, bis du wieder weg bist“, machte ich meine Ängste zu einem Teil von mir, anstatt zu versuchen sie wegzuschieben.

Angst, ich kenne dich, und ich halte dich aus, bis du wieder weg bist

Bei der mentalen Arbeit mit meinen Ängsten half mir unter anderem der „Angstfrei gebären-Intensivkurs“ von Larissa Horlacher, an dem ich teilnahm.

Aufarbeitung der ersten Geburt

Zudem forderte ich den Geburtsbericht meiner ersten Geburt von der Klinik an und arbeitete diesen mit meiner Hebamme vor Ort dezidiert auf. Es gelang mir dadurch, nachzuvollziehen, an welcher Stelle ich damals „scheiterte“ und wie ich mich dieses Mal gewissenhaft darauf vorbereiten könnte. Ich las zudem alles, was mir zum Thema „Geburt“ in die Finger kam und bereitete mich auf verschiedene Szenarien und Geburtsmodi vor. So doof es auch klingt, war ein Kaiserschnitt bei meiner ersten Geburt keine Option – was im Nachhinein einfach nur absolut idiotisch war, weil es immer Indikationen für einen Kaiserschnitt geben kann und das Leben des Kindes über allem steht.

Geburt mit Mann und Doula

Ich wählte meine Geburtsbegleitung mit Bedacht aus und somit begleitete mich neben meinem Mann Jan auch eine Doula in den Kreißsaal. Bis heute sind wir durch das Erlebte freundschaftlich miteinander verbunden und sie wird immer ein ganz besonderer Mensch in meinem Leben sein, der einen der intimsten und schönsten Momente in meinem Leben hautnah miterlebt hat. Was für ein unfassbares Geschenk sie uns damit gemacht hat! Weiterhin arbeitete ich mit Geburtsaffirmationen, erstellte meine eigene Geburtsplaylist, die ich immer und überall hörte, nahm an einem Prenatal-Yoga-Kurs teil und freute mich einfach unendlich auf die Geburt. Darauf, dieses Wunder noch einmal erleben zu dürfen.

Und, am allerwichtigsten ich hörte auf mich, auf meinen Körper, blieb mit ihm und vor allem meinem Baby stets in Verbindung, machte das, was mir gut tat und schirmte ich von allem anderen ab.

Eine Geburt aus eigener Kraft und ohne Interventionen

An den Schmerzmitteln lag es nicht, das weiß ich jetzt. Denn unsere zweite Geburt war wunderschön und Schmerzmittel nicht erforderlich. Tatsächlich habe ich unsere Maus in der Wanne geboren und wir haben somit lustigerweise nun doch eine Wassergeburt erlebt. Mein Mann, die diensthabende Hebamme und unsere Doula standen um die Wanne herum und sahen zu, wie ich unsere Maus aus eigener Kraft und ohne jegliche Interventionen gebar. Unsere Tochter drehte sich aus mir heraus und schwomm mit offenen Augen und ausgestreckten Armen zu mir hoch – ein Anblick, den mein Mann niemals vergessen wird, wie er sagt.

Dass mein Mann Sicht auf meinen Intimbereich hat, wäre bei unserer ersten Geburt absolut undenkbar gewesen. Er sollte schön bei meinem Kopf stehen bleiben, damit ihn der Anblick des austretenden Köpfchens nicht irritiert. Eine Einstellung, die ich wieder einmal ohne zu hinterfragen von anderen übernommen hatte, denn was kann es Schöneres geben, als wenn der eigene Mann dabei zusieht, wie sein Kind geboren wird?

Geburt bedeutet Transformation, wenn man sich darauf einlässt

Eine Geburt mit all ihren Urgewalten kann radikal, disruptiv, einschüchternd, wundersam, bezaubernd und beglückend zugleich sein. Ebenso wie der Zeitpunkt, zu dem wir alle einmal aus der Welt treten werden, stellt eine Geburt eine absolute Grenzerfahrung dar. So oder so wird sie uns verändern – für immer.

Ich bin unendlich dankbar für meine beiden Geburtserfahrungen, denn ich habe aus beiden wahnsinnig viel für mich mitnehmen dürfen. Ohne sie wäre ich nicht der Mensch, der ich heute bin, und so frage ich mich, welche Lebensweisheiten ein potentielles drittes Kind für mich bereithalten würde

Vielen Dank für deine wundervolle Geschichte liebe Sara!

Ihr könnt Sara auf Instagram unter @made_of_love_and_milk

 


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Von einer unbewussten zu einer bewussten Geburt