Gastbeitrag 


Mein Leben als Mutter mit einer (emotional-instabilen) Persönlichkeitsstörung

 

Meine Tochter macht Mittagsschlaf. Eigentlich wollte ich die Wohnung aufräumen und die Wäsche waschen, aber ich mache etwas ganz anderes. Ich liege in meinem Bett und meine Stimmung schwankt alle paar Minuten zwischen totaler Verzweiflung und Hoffnung. In dem einen Moment breche ich weinend zusammen und im nächsten denke ich: „Ich habe schon so viel geschafft. Ich krieg das alles hin.“ Direkt danach stürzen meine ganzen Ängste und Sorgen wieder auf mich ein und ich fühle garnichts mehr. Ich bin leer und das ist für mich eins der schlimmsten Gefühle. Warum das so ist?

Ich bin psychisch krank

Emotional-instabile Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typ nennt sich meine Hauptdiagnose. Daneben habe ich noch ziemlich viel anderen Mist, den niemand haben möchte. Aber ich bin nicht nur krank. Ich bin auch alleinerziehende Mama einer wundervollen Tochter.

Viele glaubten, dass ich das Jahr 2015 nicht überleben würde

Wenn ich sage, dass Lily mir das Leben gerettet hat, meine ich das auch so. Bevor ich mit 18 ungeplant schwanger wurde, habe ich einige Jahre in verschiedenen Kliniken und Psychiatrien verbracht. Ich habe mehrere Suizidversuche hinter mir und habe meinen Körper durch massive Selbstverletzungen und eine Essstörung regelrecht zerstört. Niemand hat ernsthaft geglaubt, dass ich das Jahr 2015 überleben würde. Ich war suizidal und hatte keinerlei Hoffnung. Dann wurde ich schwanger und es hat sich alles verändert. Ich hatte eine Traumschwangerschaft und wurde stabiler. Und ich hatte auf einmal einen Grund zu kämpfen.

Der Alltag mit Kind gibt mir Stabilität und Kraft

Jetzt ist Lily eineinhalb Jahre alt und wir haben einen ganz normalen Alltag. Fast. Denn ich habe einmal in der Woche Therapie und ein- bis zweimal in der Woche kommt meine Betreuerin zu mir, die mit mir redet und mir hilft, wenn ich mit etwas überfordert bin. Auch wenn es mir mal wieder nicht gut geht funktioniere ich und schaffe es, mit Lily zu lachen und mich dadurch abzulenken. In den Momenten geht es mir dann auch oft wieder sehr gut. Wenn Lily dann jedoch schläft breche ich manchmal zusammen. Ich kämpfe und werde niemals aufgeben. Auch wenn ich durch die Krankheit oft glaube, dass es anders ist kann ich mittlerweile sagen: Ich bin eine gute Mama. Ich tue alles, damit es meiner Kleinen gut geht und liebe sie mehr als alles andere. Ich hole mir die Hilfen, die ich brauche und kämpfe, damit wir ein ganz normales Leben haben können.

Psychische Krankheiten von Müttern sollten kein Tabuthema sein

Meine Krankheit heißt nicht, dass Lily leidet. Sie ist ein glückliches Kleinkind, mein ganzer Stolz und gibt mir sehr viel Kraft. Trotzdem bekomme ich oft blöde Sprüche zu hören und ehrlich gesagt kann ich das nicht immer so ignorieren, wie ich es gerne würde. „Wenn man mit sich selbst nicht klarkommt sollte man kein Kind bekommen.“ ist da noch eins der „freundlicheren“ Dinge, die ich mir bisher anhören musste. Es ging allerdings auch schon bis zu offener Kritik an mir, weil ich nicht abgetrieben habe. Bei mir sieht man die Narben. Aber es gibt so viele, bei denen man die Narben auf der Seele nicht sieht. Und darunter sind auch viele Eltern.

Vielleicht sollten wir so etwas mehr aus Kinderaugen betrachten. Kinder werden nicht mit Vorurteilen geboren. Psychische Erkrankungen sollten kein Tabuthema sein. Und Kindern kann man sowas besser erklären, als man denkt.

 


Es ist mir eine Herzensangelegenheit darauf aufmerksam zu machen, dass wir als Mütter nicht immer „perfekt“ sein müssen. Wir sind Menschen, wir haben Emotionen und Tage, an denen uns manches eben nicht so leicht von der Hand geht oder es uns selbst einfach schlecht geht. Deshalb sind wir keine schlechten Mütter, denn nichts von dem ändert etwas an der Liebe zu unseren Kindern. Wenn es euch ähnlich geht und ihr anderen Müttern Mut machen wollt, dann dürft ihr mir gerne eine Email schicken <3

howimetmymomlife@gmail.com

 

Weitere Artikel zum Thema Mamagefühle:

Das Hormon- und Gefühlschaos nach dem Abstillen

Mamagefühle – oder wenn sie fehlen. Mein Wochenbett.

 

 

 


Bildquelle: https://pixabay.com/de/m%C3%A4dchen-traurigkeit-dunkel-517555/