Meine Töchter haben genau zwei Jahre und drei Tage Altersunterschied. Als meine zweite Tochter zur Welt kam, steckte meine „Große“ also voll in der Trotz- bzw. Autonomiephase. Heute, knapp zwei Jahre später befindet sich meine kleine Tochter in genau dieser „heißen“ Phase. Aber auch meine ältere Tochter, durchlebt mit ihren knapp vier Jahren immer wieder Momente, in denen ich sie auffangen muss. In diesem Artikel möchte ich dir ein bisschen etwas aus meinem bewussten Alltag mit zwei Kindern in der Trotz- bzw. Autonomiephase erzählen und hoffe, die ein wenig Gelassenheit senden zu können.

Die Trotzphase

Als Trotzphase wird die Phase im Leben eines Kindes bezeichnet, in der es anfängt sich als eigenständige Person wahrzunehmen. In der Entwicklungspsychologie wird anstatt „Trotzphase“ der Begriff „Autonomiephase“ verwendet, da dieser nicht so negativ besetzt ist. Die Autonomiephase beginnt im zweiten Lebensjahr und kann bis weit in das vierte Lebensjahr hinein andauern.

Meine Kinder werden zu eigenständigen Personen

Nach der Geburt sind Babys mit ihren Müttern regelrecht verschmolzen. Sie nehmen sich nicht als eigenständige Personen war. Dies ändert sich ab circa 18 Monaten. Genau dann beginnt bei den meisten Kindern die Autonomiephase. Synonyme für Autonomie sind Unabhängigkeit, Selbstständigkeit und Willensfreiheit. Welch tolle Worte, oder? Ich finde es ganz großartig wenn Kinder autonomer werde. Damit werden meine Babys zur eigenen „Persönchen“.

Selbst wenn es für mich als Mutter immer wieder eine Herausforderung ist. Schließlich ist ein Kleinkind nicht wirklich unabhängig von mir, natürlich braucht es mich. Vor allem auch, damit ich ihm helfe sich zu regulieren. Dies ist nun mein Stichwort.

Selbstregulation

Selbstregulation ist die Fähigkeit, sich selbst, die eigenen Gefühle, Gedanken und Abwehrreaktionen „halten“ zu können – gerade wenn es rund geht.

Die Fähigkeit zur Selbstregulation entsteht gewöhnlich in den ersten drei Lebensjahren, in denen unser Nervensystem noch nicht voll entwickelt ist und wir das Nervensystem eines oder mehrerer Erwachsener brauchen, um uns wieder zu beruhigen und uns mit uns und anderen wohlzufühlen.

Kinder brauchen also erwachsene Menschen, die sie liebevoll beruhigen, halten, wahrnehmen, spüren, hören, sehen, verstehen und – nicht zuletzt – spiegeln, wer oder was wir wirklich sind.

Dass man Babys hilft sich zu beruhigen wenn sie schreien und nicht mit zig Argumenten daherkommt warum es nicht schreien dürfte („du hast du gerade getrunken, bist nicht müde, hast eine frische Windel etc.) zum (zum Glück) für die meisten Eltern normal. Warum sollte man also nicht auch seinem Kleinkind dabei helfen mit seinen Gefühlen umzugehen? Gerade dann, wenn wir es in seiner Unabhängigkeit eingeschränkt oder gar seinen Willen „gebrochen“ haben?

Das kindliche Gehirn

Nach der Geburt ist das Gehirn eines Kindes zu circa 25% entwickelt. Der Rest entwickelt sich in den ersten drei Lebensjahren. In dieser Zeit sind Kleinkinder schlichtweg nicht in der Lage „logisch“ zu denken. Sie besitzen dazu auch keinerlei Zeitempfinden. Sie leben im Hier & Jetzt.

Wenn ich als Mama also einen Termin wahrnehmen will, meine Kinder aber völlig ins Spiel vertieft sind, dann verstehen sie nicht warum wir JETZT los müssen. Genauso wenig versteht es meine kleine Tochter, wenn ich ihr das kleine Spielzeug ihrer Schwester wegnehme, an dem sie sich verschlucken könnte. Sie weiß ja nicht, dass dieses Verschlucken gefährlich sein könnte.

Wenn Kinder in diesem Alter eine Emotion erleben, dann durchleben sie sie. Sie werden vollständig von dieser Emotion vereinnahmt. Egal um was es geht und wie nichtig uns als Eltern dieses Problem erscheint, unsere Kinder ertrinken schier in ihren Gefühlen. Und wir sollten sie nicht ertrinken lassen, sondern ihnen beibringen zu schwimmen.

Emotionsregulation dank Kommunikation

Babys helfen wir bei der Selbstregulation meist körperlich. Wir tragen sie, wiegen sie hin- und her und machen dazu, die so beruhigenden Shhhhh Laute. Um sich schlagende, wütende Kleinkinder kann man dann schon nicht mehr so leicht herumtragen oder hin- und her wiegen. Da setzen wir dann auf die Kommunikation. Allerdings oft auf eine „falsche“ Art und Weise.

Man muss sich als Eltern einfach über die Gehirnentwicklung seines Kindes bewusst sein. Auch wenn ich mit meinem Kleinkind im Alltag schon gut über Worte kommunizieren kann und es mich durchaus aus gut versteht, heißt das nicht, dass ich es auch während eines Wutanfalles erreiche.

Auch wir Erwachsene sind in stressigen Situationen oft in einem Strudel aus Emotionen, Gefühlen oder Gedanken gefangen und reagieren über. Ich bin mir sicher, dass du solche Situationen kennst. Ich kenne sie. Ich habe genau durch diese Situationen mit der inneren Kind Arbeit als Mama begonnen. Und weil ich mich durch meine persönliche Geschichte viel mit Kindheitsprägungen beschäftigt habe, kann ich meinen Kindern anders begegnen. Zumindest immer dann, wenn ich gut für mich gesorgt habe und meine Akkus voll sind (wichtiger Punkt!).

Mein bewusster Alltag in der Trotz- bzw. Autonomiephase

Nach dem kleinen Ausflug in die Theorie, möchte ich dir nun vom „praktischen“ Teil erzählen. Nämlich unserem Alltag. Meine kleine Tochter befindet sich gerade am Anfang der Autonomiephase. Sie spricht gerade die ersten Worte und versteht mich sehr gut, dennoch weiß ich bei ihr, dass ich ihr am besten bei der Selbstregulation helfe, indem ich sie tröste, gegebenenfalls ablenke (damit sie auf ihrem „Emotionssttrudel“ herauskommt und danach die Gefühle für sie benenne.

Indem ich die Gefühle für sie benenne, lernt sie ihren Gefühlen einen Namen zu geben. Sie lernt, dass sich traurig sein anders anfühlt als wütend zu sein. Natürlich benenne ich auch die positiven Gefühle für sie. Dies ist ein erster Schritt zur Selbstregulation, denn indem ich Gefühle mit Sprache verknüpfe und mit ihr darüber rede, mache Gefühle sie für „bearbeitbar“.

Da ich mich während des Wutanfalls aber wenig der Sprache bedienen kann, bin ich ihr währenddessen liebevoll zugewandt und versuche ihr mit Mitgefühl zu begegnen. Seitdem ich über ihre Gehirnentwicklung bescheid weiß, nehme ich auch nichts mehr persönlich. Ich fühle mit ihr und biete ihr das an was sie braucht. Manchmal ist das eine Umarmung, manchmal aber auch etwas Abstand. Meistens bringe ich ihr auch ihren Schnuller ind ihr Lieblingskuscheltier als Trostspender. Ich lasse sie aber nie alleine. Genauso wenig komme ich mit Logik und Schimpfen daher.

Der Trotzanfall in der Öffentlichkeit

Um jetzt ein bisschen „realer“ zu bleiben muss ich natürlich auch Situationen erwähnen, in denen ich nicht seelenruhig neben ihr sitzen kann während sie einen „Trotzanfall“ hat. Letztens war ich mit beiden Mädchen z.B. in einem Schuhgeschäft. Dort sah meine kleine Tochter „ihre“ Hausschuhe. Tatsächliche hatte ich ihre Hausschuhe ein paar Wochen zuvor in diesem Geschäft gekauft, „ihre“ Hausschuhe waren aber Zuhause. Meine Tochter wollte dann allerdings genau diese Schuhe mit nach Hause nehmen. Natürlich wäge ich in solchen Situationen ab und, wenn wir tatsächlich bald neue Hausschuhe gebraucht hätten, hätte ich sie vermutlich mitgenommen. Wir hatten aber ja erst welche gekauft und somit verließen wir das Schuhgeschäft ohne die besagten Schuhe. Das hatte einen heftigen Wutanfall zur Folge. Verständlich.

Meine Tochter war so wütend, dass ich sie nicht mal mehr in den Kinderwagen setzen konnte. Da ich sie nicht gewaltsam hineinsetzen wollte trug ich sie also. Auf dem einen Arm hatte ich dann also ein schrill schreiendes Kleinkind, mit dem anderen Hand schob ich den Kinderwagen und meine Augen waren auf meine größere Tochter gerichtet. Die war ja schließlich auch dabei und muss mit ihren knapp vier Jahren ja auch im Auge behalten werden. Ich hatte einen ziemlich weiten Weg zum Auto vor mir und musste immer wieder anhalten, weil meine Tochter so tobte, dass sie mir immer wieder vom Arm zu rutschen drohte. Das war dann also der berühmte „Walk of Shame“ aller Mamas, inklusive aller Arten von Blicken, die Leute einem so zuwerfen.

Ich versuche in diesen Momenten immer ganz bei mir zu bleiben. Ich kannte mein Ziel (das Auto) und meine Verantwortung (nicht ausrasten, würde das Gehirn meiner Tochter eh nicht verstehen und die Situation nur schlimmer machen) und erinnerte mich in Gedanken immer wieder daran, dass alles gut sei. Denn in diesen Situationen bin ich nicht nur die Mutter meiner Kinder, die die Situation halten muss, sondern muss mich auch selbst bemuttern und regulieren. Es ist für uns Mütter immer doppelte Arbeit.

Das war übrigens nicht unser einziger Wutanfall in der Öffentlichkeit. Wir waren letztens mit den Kindern bei Ikea und da meine kleine Tochter keinen Mittagsschlaf gemacht hatte, wurde sie müde und nunja…wir Eltern wissen ja, wie es mit übermüdeten Kleinkindern ist. Irgendwann kam der Moment, in dem ich sie in ihren Buggy setzen wollte und was geschah, sie drückte sich so gegen die Rückenlehne, dass diese riss. Wütendes Kleinkind, kaputter Buggy. Eine super Sache! Wir haben diesen Tag überlebt, aber ich bin ganz ehrlich, leicht war er für mich nicht und es gibt immer wieder Momente, in denen ich mit meinen Emotionen kämpfe. Das ist normal. Und darf auch sein. Seitdem ich allerdings immer mehr an den Themen des inneren Kindes und meiner persönlichen Selbstfindung arbeite, wird es leichter.

Wutanfälle meiner knapp 4-Jährigen Tochter

Meine knapp 4-Jährige Tochter ist derzeit in der  “Warum-Phase” . In dieser Phase wird die linke Gehirnhälfte, in der die Logik sitzt, immer aktiver. Diese Gehirnhälfte will die Ursache-Wirkung-Beziehungen erkennen und Ordnung in das Denken bringen. Meine Tochter möchte also immer mehr verstehen. Daher begegne ich ihr auch während ihrer Wutanfälle mit mehr Worten.

Die Gründe der Wutanfälle meiner großen Tochter sind natürlich anders. Wobei. Bleiben wir beim Schuhgeschäft. An diesem Tag zogen wir eigentlich los um meine großen Tochter neue Hausschuhe zu kaufen. Sie hatte ganz bestimmte Vorstellungen von ihren neuen Schuhen. Bunt und Glitzer. Leider fanden wir keine Hausschuhe die ihrer Vorstellung entsprachen. Weil meine Tochter aber unbedingt neue Schuhe haben wollte, wollte sie am Ende dann Hausschuhe nehmen, die ihr gar nicht gefielen. Hauptsache etwas kaufen. Damit war ich als Mama natürlich nicht einverstanden da ich das ein oder andere „ich will jetzt aber“ Produkt Zuhause liegen habe und es nie benutzt wird. Somit war meine Tochter wütend und fing an zu weinen. Anstatt ihr „nur“ mit Logik zu kommen und ihr zu erklären, dass ich ihr keine Schuhe kaufe, die ihr nicht gefallen, da sie diese Zuhause ja dann sowieso nicht benutzen würde, verband ich diese Logik mit Verständnis. Wichtig ist mit hierbei immer, dass ich auch wortwörtlich auf Augenhöhe mit ihr gehe. Ich knie mich dann vor ihr hin, berühre sie an der Hand (wenn sie es zulässt) und sage ihr, dass ich verstehen kann, dass sie nun enttäuscht ist (ich benenne also ihre Gefühle) weil wir keine bunten glitzer Schuhe gefunden haben (Logik), ich wäre da auch enttäuscht (Mitgefühl). Ich erkläre ihr dann noch, dass nur, weil wir heute keine Schuhe kaufen, das nicht bedeutet, dass sie gar keine Schuhe bekommt, sondern, dass wir eben noch ein bisschen weiter suchen müssen. An einem anderen Tag oder im Internet. Das könnten wir am Abend gleich gemeinsam tun.

Was kann ich meinen Kindern zumuten?

Es gab eine Zeit, da habe ich händeringend versucht unseren Alltag „präventiv“ zu gestalten. Hauptsache es gab keinen Anlass für Wutanfälle. Ich finde es zwar immer noch sehr wichtig stets abzuwägen ob ich die ein oder andere Situation nicht alleine durch meine Einstellung oder mein Verhalten erst gar nicht entstehen zu lassen (z.B. Zeitdruck, Nein sagen, meinen Willen durchsetzen, etc.) aber Vermeidung ist hier nicht der Weg. Schließlich können meine Kinder nur durch Konflikte die gesamte Bandbreite ihrer Gefühle kennenlernen – und ich darf sie dabei eben bewusst begleiten.

Die Gefühle unserer Kinder „aushalten“

So oder so ähnlich reagiere ich in „Trotz-Situationen mit meinen Töchtern. Natürlich beruhigen sie sich nicht immer sofort und ich muss auch hier ihre Gefühle einfach „aushalten“. Ich wähle bewusst das Wort aushalten, denn ich kann sehr sehr gut verstehen, dass die Emotionen unserer Kinder schwer für uns zu tragen sind wenn wir unsere eigenen Emotionen in unserer Kindheit nicht fühlen oder ausleben durften. So versuchen viele Eltern, wie auch ich früher, lieber die Emotionen ihrer Kinder zu regulieren um ja nicht die unterdrückten Emotionen aus ihrem Innersten nach oben kommen zu lassen. Das klappt natürlich eher selten. Denn oft „trotzen“ nicht nur die Kinder, sondern die Eltern gleich mit.

Innere Kind Arbeit als Mama

Ich lade dich daher ein dich mal mit deinen kindlichen Prägungen und Glaubenssätzen auseinanderzusetzen. Dazu könntest du dann noch etwas über die kindliche Gehirnentwicklung lesen. Indem du dir Dinge einfach mal bewusst machst, wird vieles mit der Zeit leichter. Auch wenn es stets Arbeit ist. Die Arbeit an sich kann aber auch Spaß machen.

Vielleicht wäre meine Facebook-Gruppe PURE YOU | Selbstfindung als Mama etwas für dich. Dort gibt es viele Infos zur inneren Kind Arbeit, Emotionen, Triggern uvm. Ich würde mich freuen dich dort begrüßen zu dürfen.

Bis dahin,

alles Liebe!

Miriam

 

 


Als ich diesen Artikel schrieb, recherchierte ich zum Thema auch ein wenig. Dabei fielen mir vor allem drei Artikel ins Auge, die ich dir gerne empfehlen würde:

 

Aida schreibt auf ihrem Blog Elternmorphose über Tipps zum Umgang mit der Autonomiephase 

Dr. Daniela Galashan schreibt auf ihrem Blog „Liebe und Hirn“ darüber wie man Selbstregulation und Emotionsregulation im Alltag fördern kann

Andrea vom Blog Herzensglückskind hat einen tollen Artikel zum kindlichen Gehirn verfasst.