Kleinkinder richtig trösten. Braucht es dazu (noch) einen Blogpost? Ich finde schon, denn ich erlebe immer wieder Situationen, in denen ich erschrecke weil Eltern ihre Kinder und deren Schmerz (oder Schreck) nicht ernst nehmen. Dabei meinen sie es gar nicht böse. Sie handeln vermutlich nur so, wie sie es von ihren Eltern gelernt haben.

„Ist doch nichts passiert“

Mit diesem Satz wollen wir unseren Kindern den Schreck nehmen und ihnen sagen, dass (in unseren Augen) nichts passiert ist. Was man aber deutlich unterscheiden muss ist, dass eine Erwachsenen Sichtweise in keinster Weise etwas mit dem Gefühl zu tun hat, mit dem das Kind die Situation erlebt. Wenn ein Kind sich den Kopf stößt, dann erschrickt es sich erst einmal und dann kommt da noch dieses Gefühl, welches ihnen Angst macht: Schmerz! Ein Kleinkind weiß nicht, dass der Schmerz bald wieder weg geht. Es muss in dieser Situation mit dem Schreck und den Schmerz klar kommen und ist vermutlich erst einmal so überfordert, dass es unsere Worte gar nicht hören kann.

Kleinkinder richtig trösten

Handlungen statt vieler Worte

Wenn sich unser Kind weh getan hat, sollten wir die Situation nicht herunterspielen nur weil in unseren Augen nicht viel passiert ist. In den Augen unserer Kinder ist nämlich sehr wohl etwas passiert und das sollten wir immer ernst nehmen. Sätze wie: „Ist doch nichts passiert“ oder „Indianer kennen keinen Schmerz“ sollten wir aus unserem Vokabular streichen und sie stattdessen durch folgende Sätze ersetzen:

„Hast du dir weh getan? Komm her, Mama tröstet dich!“

„Oh, jetzt hast du dir ganz schön weh getan. Komm in meine Arme, ich küsse / puste den Schmerz weg“

Manche Kinder sind erst einmal in ihrem Schreck und dem Schmerz gefangen und scheinen überhaupt nicht auf Worte zu reagieren. Kein Wunder, denn das kleinkindliche Gehirn ist noch nicht sehr weit entwickelt. Hat es mit Schreck, Schmerz oder Wut zu kämpfen ist die Empfängnis für Worte erst einmal blockiert. Anstatt unseren Kindern dann einen Vortrag darüber zu halten, dass es selbst schuld ist an der Situation und das es in Zukunft vorsichtiger sein muss sollten wir es in den Arm nehmen und vom Schmerz ablenken.

Kleinkinder tröstet man am besten

indem man sie aus der Situation herausholt

Fällt ein Kind hin, stößt sich den Kopf oder tut sich auf andere Art und Weise weh ist der erste Schritt zu ihm zu gehen, es auf oder in den Arm zu nehmen und erst einmal zu überprüfen ob es sich ernsthaft verletzt hat (Platzwunde, Schürfwunde, die verarztet werden muss, Bruch, etc.). Kann man dies ausschließen, gilt es, das Kind aus der Situation herauszuholen. Dies macht man am Besten indem man es auf den Arm nimmt, den Ort des Geschehens verlässt (hat es sich im Wohnzimmer weh getan wechsle ich den Raum, auf dem Spielplatz gehe ich ein paar Meter weiter) und ihm sagt:

– dass man seinen Unfall gesehen hat

– dass man versteht, dass es sich doll erschrocken hat

– dass man weiß, dass es Schmerzen hat

– dass man für es da ist

– das der Schmerz sicher bald weggeht

Den Schmerz wegpusten

Mein Lieblings-Ritual mit meiner Tochter ist, dass wir den Schmerz wegpusten. Ich gehe zum Fenster, küsse die Stelle an der sie sich weh getan hat und singe folgende Zeilen:

Ich puste deinen Schmerz

Ich puste deinen Schreck

Ich puste deine Tränen einfach weg

Zum ersten Mal gehört habe ich diese Zeilen in der Kinderserie Jonalu. Wer das Lied einmal hören möchte kann dies nun tun:


Nachdem ich die Zeilen ein paar Mal gesungen habe, zeige ich mit dem Finger in Richtung Himmel und sage zu meiner Tochter:

„Schau mal, da fliegt der Schmerz weg, siehst du ihn? Jetzt wird er immer kleiner und kleiner und schwups tut´s schon nicht mehr weh!“

Warum Trost so wichtig ist

Kinder, die von ihren Eltern getröstet werden bilden ein gutes Urvertrauen und lernen, dass all ihre Gefühle in Ordnung sind. Sie lernen, dass ihre Eltern immer für sie da sind und all ihre Gefühle ernst nehmen. Eltern, die ihre Kinder nicht trösten sondern Situationen herunterspielen, belächeln oder sagen:“Das tut doch garnicht weh“ teilen ihren Kindern unbewusst mit, dass die Gefühle und Emotionen, die sie empfinden nicht wahr oder richtig sind. Es entwickelt sich ein gestörtes Verhältnis zu den eigenen Gefühlen und zum eigenen selbst. Irgendwann werden sich die Kinder nicht mehr trauen mit Problemen zu ihren Eltern zu kommen oder sie sich gar selbst einzugestehen. Auch die Empathie gegenüber anderen Menschen schwindet, denn wieso sollten sie jemanden helfen wenn sein Schmerz „unangebracht“ ist?

Eltern müssen auf ihre eigene Reaktion achten

Diese Situation wird vielen bekannt vorkommen. Das Kind fällt hin und tut sich offensichtlich kaum bis gar nicht weh. Mama erschrickt aber so doll über den Sturz ihres Kindes und schreit auf. Das Kind reagiert auf den Schrei der Mutter intensiver als auf den Sturz selbst. Es erschrickt sich nämlich weil es die Emotionen der Mutter aufnimmt und davon ausgeht, dass gerade etwas Schlimmes passiert ist. Tat der Sturz dann tatsächlich weh, verdoppelt sich der Schmerz weil es denkt, dass Mama nun auch noch Schmerzen hat. Auch wenn es schwer fällt, Eltern sollten versuchen ruhig zu bleiben und ihren eigenen Schreck dem Kind nicht zu zeigen. Ist ein Aufschrei allerdings schon geschehen, kann man seinem Kind erklären, dass sich Mama ganz schön erschreckt hat, aber man nun gemeinsam den Schreck und den Schmerz wegpustet (siehe oben).

richtig trösten

Trost ist auch bei Wut wichtig

Kleinkinder richtig trösten

auch bei Frust & Wut

In meinem Artikel „Warum ist mein Kleinkind so wütend“ habe ich schon einmal darüber berichtet, dass es das Wichtigste ist, für das Kind da zu sein. Für uns ist es nur ein Lappalie wenn es unserem Kind nicht gelingt die Stapelbecher zusammenzustecken und es dabei wütend wird. Für unser Kind bedeutet das vor allem eins: Frust. Aus Frust wird Wut und aus Wut schnell ein explodierender Vulkan. Dem Kind nun zu sagen, dass es doch „garnicht schlimm“ ist, nützt nichts. Seiner Situation mit Verständnis zu begegnen allerdings schon.

Manchmal muss das Trösten auch Warten

Bei Wut muss der Trost nicht sofort kommen, wichtig ist aber, dass das Kind weiß, dass Mama die Situation ernst nimmt. Nicht in jeder Alltagssitiation kann man sofort einfühlsam trösten. An der Supermarktkasse oder am Rand einer voll befahrenen Straße zum Beispiel. Hier gilt es das Kind, welches sich vor Zorn auf den Boden geschmissen hat und laut schreit erst einmal so schnell wie Möglich aus der Situation zu holen. Bezahlen muss man an der Kasse leider trotzdem, also bleibt einem nichts anderes übrig als die Situation einfach auszuhalten.

An der Supermarktkasse gibt es keine Erklärstunde

Natürlich kann man auch versuchen seinem Kind die Situation zu erklären und es zu besänftigen. Aber, wie ich oben schon erwähnt habe, ist das kleinkindliche Gehirn während eines Wutanfalls mit Worten schlecht bis garnicht zu erreichen. Mit Taten allerdings schon. Auch wenn es in manchen Situationen schwer fällt, versuche dein Kind aus der Situation herauszuholen. Und wenn man den Ort nicht wechseln kann, dann vielleicht die Stimmung die man aussendet. So reagiert dein Kind vielleicht positiv wenn du plötzlich ein Lied anstimmst oder anfängst mit ihm zu tanzen. Oder ihr spielt „ich sehe was, dass du nicht siehst“. Ablenkung ist in diesem Fall immer noch die beste Rettung. Sind die Gemüter beruhigt kann man Zuhause die Situation noch einmal ansprechen und erklären. So sieht das Kind, dass Mama seine Gefühle ernst nimmt.



Weiterführende & lesenswerte Artikel zu diesem Thema:

  1. „Ist doch nicht so schlimm!“ – Ist es doch. – Über das Trösten – von Geborgen Wachsen

4. Kinder trösten: „Hast du dir weh getan?“ – Über das Wahrnehmen und verbalisieren von Schmerz – von Mini and Me

Ein Indianer kennt keinen Schmerz!(?) Blödsinn! | Weshalb unsere Kinder nicht zu Weicheiern werden, wenn wir sie trösten statt Schmerzen herunterzuspielen. – Von Stadtmama Judith

Bildquelle Titelbild: pixabay (https://pixabay.com/de/kinderaugen-augen-blaue-augen-1914519/)