Ich werde mein Kind zu Hause zur Welt bringen. Das stand für mich schon immer fest und wurde nicht hinterfragt. Ich selbst war eine Hausgeburt und ich habe nie vergessen, welch schöne Worte meine Mama für diese doch schweren Stunden gefunden hat. Alle negativen Mutmaßungen („In der Klinik ist es doch viel sicherer“, etc.) konnte ich durch diese mehr oder weniger eigene Erfahrung sofort abwimmeln und das gab mir Sicherheit. Ich hatte zwar in vielen Geburtsberichten absolute Horrorgeschichten gelesen, aber ich selbst war felsenfest davon überzeugt, dass ich eine ganz entspannte Hausgeburt haben werde. Leicht einsetzende Wehen, langsames Veratmen, spazieren gehen, etc. Haha.

Wenn ich an die Schmerzen dachte, die auf mich zukamen, so waren sie niemals mein „Feind“, sondern stets mein „Freund“ – sie sollten mir schließlich helfen meine Tochter zur Welt zu bringen. Ich ging sehr positiv an die ganze Sache ran, verschwendete keine Gedanken an Einleitungen, Komplikationen, Notkaiserschnitte. Meine wirklich problemlose Schwangerschaft (3 Tage Übelkeit in der 7. SSW, danach NICHTS mehr) ließ mich all diese Gedanken noch mehr vergessen. Meine Hausgeburt sollte ein tolles Erlebnis werden, das ich (so gut es eben ging) genießen wollte.

Dass die momentane Situation für (freiberufliche) Hebammen nicht gerade spaßig ist, werde ich kaum erwähnen müssen. Alleine dadurch gestaltete sich die Umsetzung der Hausgeburt schon schwierig, da ich sehr lange suchen musste, bis ich eine Hebamme fand, die Hausgeburten anbietet. Und mein Wunsch sollte einen hohen Preis haben: 2.000,00 EUR verlangte die gute Frau für die Entbindung in den eigenen vier Wänden (jetzt im Nachhinein weiß ich: Das ist Wucher!). Trotz unseres geringen Ausbildungsgehaltes wollten mein Freund und ich diese aber Summe aufbringen, um mir den Traum einer selbstbestimmten Geburt zu ermöglichen.

Stets die Hausgeburt im Hinterkopf, ging ich also zu Geburtsvorbereitungskursen, las viele Bücher, viele Geburtsberichte, stellte mich sicherheitshalber in einer Klinik vor und doch drang nichts so wirklich zu mir durch, da ich in meiner „Entspannte Hausgeburt“-Blase festhing. Bis zur 38. SSW, als meine Hebamme feststellte, dass ich mich mit B-Streptokokken infiziert hatte. Ich hatte zwar davon gelesen, den Gedanken daran aber schon lange wieder verworfen (Stichpunkt Hausgeburt und so). Und da stand ich dann, Diagnose: Klinikgeburt. Uff. Ich sorgte mich dabei weniger um die Geburt an sich, sondern viel mehr um die erste Zeit danach – hatte ich doch den Wunsch eines Familienzimmers verneint (Hausgeburt!) und schon so viel Schlechtes bzgl. Zufüttern, Babyzimmer, usw. gehört. Zudem war ich noch nie zuvor im Krankenhaus und hatte auch noch höllische Angst vor Nadeln. Aber da ich es jetzt eh nicht mehr vermeiden konnte, ließ ich einfach alles auf mich zu kommen.

Bei 39+1 fiel mir dann auf, dass ich die Kliniktasche noch gar nicht gepackt hatte (ich hatte theoretisch noch Zeit, da alles für eine Übertragung sprach und der ET laut Ultraschall sogar noch weiter nach hinten rutschen sollte. Außerdem war ich ja die Entspannung in Person ;-)). Also habe ich mich Vormittags daran gemacht, meine Sachen zusammen zu suchen. Nachmittags kam noch meine Hebamme zur Untersuchung, „alles gut soweit, Kopf liegt fest im Becken, aber es schaut nicht so aus, als würde Ihre Tochter demnächst ausziehen“. Danach putzte ich noch etwas und gegen 18 Uhr wurde es plötzlich nass zwischen meinen Beinen. Plötzlich nochmal ein kleiner Schwall Wasser. Und nochmal und nochmal. Hä? Was sollte das denn jetzt? In meinen Vorstellungen kamen doch immer erstmal Wehen. Also den Mann aus dem Nebenzimmer gerufen (Vorsichtiges „Schaaaatz?“ – „Ja?“ – „Kommst du mal… ?“), ihm die Lage geschildert und dann schauten wir beide erstmal dumm aus der Wäsche.

Nach einer kurzen, problemlosen Fahrt mit viel Gescherze kamen wir in der Klinik an. Bei dem Aufnahmegespräch konnten wir dann tatsächlich auch noch ein Familienzimmer ergattern und nachdem auf dem CTG (übrigens das Erste in meiner Schwangerschaft, da die Hebamme bei den Untersuchungen nur ein Hörrohr verwendet hatte) keine Wehen zu erkennen waren, ging es für uns gegen 21 Uhr erstmal aufs Zimmer. Dort wurde mir dann der Zugang gelegt und ich bekam direkt die erste Portion Antibiotika. Ach, und wie eine kurze Untersuchung ergab, war der Muttermund bereits bei 4cm – ganz ohne Schmerzen… Trotz allem schwebte das Wort „Einleitung“ im Raum und ich hatte tatsächlich einen kurzen Moment Panik. Die zuvor gelesenen Horrorgeschichten schwirrten mir durch den Kopf. Sollte alles so komplett anders kommen als geplant?

Gegen 23:00 Uhr wachte ich plötzlich mit Schmerzen auf und nach einer halben Stunde des Wartens machten wir uns auf in den Kreißsaal. Dort bestätigte das CTG meine Vermutung – ich hatte Wehen! Yeay, Einleitung entkommen! Der Muttermund war auch schon bei 8cm und relativ schnell rollte eine Wehe nach der anderen heran, sodass ich wie in eine Art Trance rutschte. Meine Gedanken von wegen „Die Schmerzen sind dein Freund“ hab ich da übrigens auch relativ schnell verworfen. Leider weiß ich ab diesem Zeitpunkt nur noch relativ wenig von der Geburt, da die Wehen keine Zeit für Erholung ließen und ich diese lautstark vertönen musste. Gut in Erinnerung habe ich aber noch den unglaublich störenden Geruch des Lederarmbandes, das mein Freund immer trägt, und den Bauchgurt des CTGs. Durch die geplante Hausgeburt habe ich mich nie damit auseinandergesetzt, dass ich mich während der Geburt nicht frei bewegen kann und wartete daher die ganze Zeit darauf, dass mich endlich jemand davon befreit. Sagen konnte ich leider nichts, da ich wirklich ohne Pause Wehen hatte, die veratmet (okay, eher verschrien) werden wollten. Im Nachhinein wurde mir bewusst, dass ich scheinbar die ganze Zeit über Presswehen hatte, da ich mich an keinen Zeitpunkt erinnere, an dem die Schmerzen sich veränderten.

Nachdem es im seitlichen Liegen nicht wirklich funktionierte, durfte ich mich nach einer kurzen Untersuchung des Muttermundes (vollständig geöffnet) über das aufgerichtete Kopfteil des Kreißsaalbettes lehnen (Jetzt beim Schreiben fällt mir auf, dass ich auch keine Ahnung habe, wie die ganzen Teile bei einer klinischen Entbindung heißen, weil wegen Hausgeburt. Ihr wisst schon) und auch endlich pressen. Jetzt merkte ich tatsächlich, wie es vorwärts ging und meine Erinnerung setzt hier wieder ein. Ich konnte mich wieder auf die Schmerzen konzentrieren, bewusst mitschieben und spürte dabei sogar den Körper meiner Tochter in mir. Das einzige, das mir nicht gelang, war das Gebären ihres Kopfes. Immer und immer wieder flutschte er zurück, sobald eine Wehe vorbei war. Mittlerweile hatte ich auch keine Lust und Kraft mehr, ich hatte keine Ahnung, wie lange die Geburt schon dauerte und wollte nur eine kleine Verschnaufpause. Als ich die Hebamme fragte, ob die Verabreichung von Schmerzmitteln jetzt noch möglich wäre (auch mit diesem Thema hatte ich mich nie auseinander gesetzt), machte sie mir deutlich, dass ich in den letzten Zügen lag. Sie ermutigte mich, das Köpfchen zu tasten und ab da hatte ich meinen Durchhaltewillen wieder gefunden. Mit jeder Wehe presste ich das Köpfchen weiter heraus und trotzdem rutschte meine Tochter immer wieder zurück. Ich spürte jedes Mal, dass sie ganz knapp davor war, geboren zu werden, doch die Wehen waren zu kurz und ich hatte nicht genug Kraft, darüber hinaus weiter zu pressen. Zudem wurde das ganze immer schmerzhafter, ich konnte es nicht einordnen, aber mit jedem Pressen brannte es da unten wie Hölle. Irgendwann schaffte ich es aber und ihr Köpfchen war da – es brauchte nicht mal eine weitere Wehe und sie war nach 3 1/2 Stunden geboren. Anstelle eines lauten Schreies gab es nur kurzes Gemotze, ganz nach dem Motto „Na endlich, warum hat das denn so lange gedauert?!“ und sie wurde mir sofort in die Arme gegeben. Ich drehte mich um und lag leicht aufrecht auf dem Kreißsaalbett, kuschelte mit meinem Baby und vergaß alles um mich herum. Nicht mal die Geburt der Plazenta bekam ich noch mit. Der Papa durfte nach dem Auspulsieren der Nabelschnur diese durchtrennen und die Hebamme zeigte mir nach einem kurzen Kennenlernen, wie ich die Kleine richtig anlegte. Sie trank, als hätte sie nie etwas anderes getan und in diesem Moment stimmte meine Vorstellung wieder mit der tatsächlichen Geburt überein. Da die diensthabende Ärztin in den anderen Kreißsaal gerufen wurde und die Hebamme den Papierkram erledigte, hatten wir 3 alle Zeit der Welt um uns kennen zu lernen. Gegen 6:00 Uhr kam die Ärztin wieder, um mich abschließend zu untersuchen und meine Geburtsverletzungen zu nähen. Als sie mir die lokale Betäubung spritzen wollte, versuchte ich ihr zu erklären, dass mein Körper diese generell zu schnell verarbeitet und ich daher ein anderes Schmerzmittel bräuchte. Leider glaubte sie mir dies nicht, spritzte munter drauf los und fing an zu nähen. Und alter Verwalter, entschuldigt die Wortwahl, aber das tat ja verschissen heftig weh! Da waren die Geburtswehen nichts dagegen! Also nicht nichts, aber da war der Schmerz auf den kompletten Körper verteilt und nicht punktuell an einer ohnehin völlig überreizten Stelle. Ich musste mich wirklich sehr zusammen reißen, dass ich nicht vor meiner gerade geborenen Tochter lautstark fluchte. Diese wurde übrigens gerade gewogen, angezogen, etc. und als die Ärztin endlich fertig war, nahm ich meine Tochter wieder in den Arm und wir durften auf unser Familienzimmer.

Die restliche Zeit im Krankenhaus war wunderschön. Meine Tochter kam Anfang September zur Welt und wir hatten tatsächlich noch fast 30 Grad – über eine Woche lang. Die Sonne schien, die Vögel zwitscherten, mein Baby lag in meinen Armen und der Papa neben uns. Wir hatten kaum Besuch, da unsere Familien weit weg wohnen und konnten uns somit ganz in Ruhe kennen lernen. Die Krankenschwestern unterstützen uns und waren gerade mir am Anfang eine große Hilfe. Ich hatte nicht erwartet, dass sich meine Tochter anfangs so „fremd“ anfühlen würde und war daher sehr dankbar für all die liebevollen und aufmerksamen Worte und Taten.

Als Fazit würde ich sagen, dass meine Vorstellungen nicht ganz erfüllt wurden – was aber nicht schlimm war. Die negativen Vorurteile bzgl. einer Klinikgeburt hatten sich bei mir zum Glück nicht bewahrheitet und mal von dem Bauchgurt und dem schmerzhaften Nähen abgesehen, verlief die Geburt so wie es auch bei mir Zuhause hätte werden können. An meiner Seite war eine Hebamme, die besser nicht hätte sein können und uns wurde ein toller Start in das Familienleben ermöglicht. Jetzt, 5 Monate später, bin ich sogar sehr dankbar für die Klinikgeburt. Bei der Hausgeburtshebamme fühlte ich mich nie zu 100 Prozent wohl und ich glaube nicht, dass es daheim dann genauso schön geworden wäre. Trotzdem möchte ich mich bei der nächsten Schwangerschaft wieder um eine Hausgeburt bemühen – aber wenn es nichts wird, dann weiß ich, dass es auch in der Klinik wunderbar werden kann